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„Die D&O-Versicherung rechnet sich nicht“

Autorin: Cornelia Hefer, erschienen im VersicherungsJournal


28.11.2018 – Die Beiträge der Managerhaftpflicht-Versicherung sind für die Höhe der Schadenszahlungen nach wie vor zu niedrig. Ein Umdenken der Versicherer sei dringend notwendig, um die Sparte für künftige Herausforderungen vernünftig im Markt zu positionieren, fordert Marcel Armon von Howden Germany.


Der Ex-Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch (CDU), und elf weitere ehemalige Vorstände können nicht davon ausgehen, dass der Baukonzern Bilfinger seine Schadenersatz-Forderungen gegen sie fallenlässt. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) müssen Koch „und seine Mitstreiter bei Bilfinger weiter mit kolportierten Forderungen von zusammen bis zu 118 Millionen Euro rechnen“, berichtete die Tageszeitung am 13. November. Gegen wen wie viel gefordert werde, sei noch nicht klar. „Sollte es tatsächlich zur Zahlung kommen, würde die Managerhaftpflicht vermutlich den Großteil der Forderungen tragen“, so die FAZ weiter. Der Aufsichtsrat des Baukonzerns wirft den ehemaligen Vorständen vor, die Risiko- oder Compliancekontrolle im Konzern nicht wie beauftragt auf Vordermann gebracht zu haben, um weiteren Korruptionsfällen vorzubeugen.


Grundidee der D&O-Versicherung wird ausgehebelt

Der Fall Bilfinger und die geschätzte Schadenshöhe sei keine Ausnahme. Das erklärt Marcel Armon, seit Juli Geschäftsführer bei der Howden Germany GmbH und Experte für den D&O-Versicherungsmarkt in Deutschland. „Es gibt immer wieder Fälle in dieser Höhe, wenn auch nur maximal fünf im Jahr“, erklärte Armon dem VersicherungsJournal. Je größer und internationaler die Unternehmen aufgestellt seien, desto höher fielen erfahrungsgemäß die Forderungen aus. „Wo viel bewegt wird, kann auch viel schiefgehen. Der jeweilige Aufsichtsrat muss diesen Vorfällen aufgrund seiner Kontrollfunktion natürlich nachgehen“, so der Howden-Geschäftsführer. Im Mittelstand liefen D&O-Forderungen „deutlich geräuschloser ab“, auch weil der Promifaktor fehle. Anders dagegen bei Koch und Bilfinger: „Dieser Fall wird nur Geld kosten, weil es sich um einen reinen Gutachterstreit handelt und jede Partei jetzt ihre Anwälte in Stellung gebracht hat. Mit der eigentlichen Grundidee der D&O-Versicherung hat das wenig zu tun“, meint Armon.


Anwälte produzieren die höchsten Kosten

Das Verfahren laufe „auf einen jahrelangen Rechtsstreit hinaus, der nicht vor Gericht geht, sondern mit einem Vergleich enden wird“, schätzt der Experte. Anwälte würden hier die höchsten Kosten produzieren und für Bilfinger werde am Ende kaum Schadenkompensation herausspringen. „Und das ärgert mich sehr. Denn damit werden wir für die Branche keinen Lerneffekt erzielen. Am Ende des Verfahrens gibt es keine Rechtsprechung, die für die Zukunft festlegt, wie man künftig mit Konflikten über Compliancefragen umgehen soll“, so Armon. Genau das sei aber für die D&O-Versicherer wichtig, da Streitfragen rund um die Compliancekontrolle den Schadensfall Nummer eins in dieser Sparte darstellten.


Aktuelle Prämienstruktur rechnet sich nicht

Dass Fälle wie Bilfinger Konsequenzen für die Prämienstruktur der Managerhaftpflicht in Deutschland haben, glaubt Armon nicht. „Ich vermisse bei den Versicherern ein grundsätzlich anderes Preisverständnis“, kritisiert der Branchenexperte. Er ist sich aber sicher, dass Platzhirsche wie die AIG Europe Limited (AEL), die Allianz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) oder die Chubb European Group SE die Prämien in nächster Zeit „anpassen müssen“. „Derzeit können wir von einem Prämienvolumen von 600 Millionen Euro ausgehen. Zwischen 350 und 400 Millionen bleiben davon nach Abzug der Vertriebs- und Verwaltungskosten für Schadenszahlungen der Versicherer. Das rechnet sich nicht“, ist der Howden-Geschäftsführer überzeugt. Einzig die AIG habe bisher Prämienerhöhungen für die D&O-Versicherung vollzogen, stehe aber bisher alleine da, beobachtet Armon. „Bei AGCS sehen wir nur punktuelle Anpassungen für schadenbelastete Verträge.“


Erst steigende Insolvenzen werden die Wende bringen

Für 2019 mit Fälligkeit 2020 prognostiziert Armon einen „schärferen Umgang“ der Versicherer mit den Kunden. „Sie werden Leistungen höher bepreisen und die Regulierung restriktiver handhaben.“ Allerdings sieht er immer „noch Anbieter im Markt, die sehr aggressiv zeichnen“. Viele der mittelständischen Gesellschaften hätten noch Schaden-Kosten-Quoten von 100 oder sogar 90 Prozent. „Das ist auch Glückssache. Hier erwarte ich keine großen Veränderungen. Eine Schockwirkung im Markt wird erst mit einer Konjunkturwende und daraus resultierenden steigenden Insolvenzen eintreten“, schätzt der Howden-Geschäftsführer. Armon betonte ausdrücklich, die Bedeutung einer gesunden D&O-Versicherung für den Standort Deutschland. „Nur dann können Großunternehmen und der Mittelstand in Zukunft gute Manager, auch aus dem Ausland, anheuern.“


In Deutschland fehlt noch Schiedsgerichts-Kultur

Die von Howden initiierten Schiedsgerichte sind „mit dem Jahresendgeschäft ins Stocken geraten“, sagte Armon. Sie könnten Streitfälle aus der Managerhaftpflicht-Versicherung künftig in weniger als zwölf Monaten klären. Der Experte erwartet hier noch Diskussionen mit Versicherern. Den Fall Bilfinger stufte der Howden-Geschäftsführer im Vorfeld als schiedsgerichtstauglich ein, wenn die Akteure deutlich früher gehandelt hätten. „Hätte es in den Verträgen ein Wahlrecht auf Schieds- oder Gerichtsverfahren gegeben, hätte man einen vernünftigen Vergleich unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln können. Das wäre besser für die Nerven der Beteiligten und das Image des Unternehmens gewesen.“

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